Ein Leitfaden für Eltern mit Depressionen und ihre Kinder
von Hannah Dressler, Psychologin M.Sc. 01. November 2023AUSWIRKUNGEN VON ELTERLICHER DEPRESSION AUF KINDER
Die Art und Weise, wie Kinder von der Depression eines Elternteils beeinflusst werden, kann altersabhängig variieren.
Forschungsergebnisse, wie die von Luthar und Hammen (2003) deuten darauf hin, dass elterliche Depression negative Auswirkungen auf die kognitive Leistung von Kleinkindern haben, sowie Probleme in der sozio-emotionalen und Verhaltensregulation verursachen können. Für schulpflichtige Kinder und Jugendliche steigt hingegen das Risiko, selbst an einer depressiven Erkrankung oder anderen psychischen Störungen, wie Angststörungen oder Substanzabhängigkeit zu leiden (Luthar & Hammen, 2003). Zusätzlich gehen diese Risiken oft mit verminderten schulischen Leistungen, beeinträchtigten sozialen Beziehungen und einem verringerten Selbstwert einher (Beardslee et al., 2013).
In einer Studie mit 2.396 koreanischen Kindern wurde außerdem festgestellt, dass elterliche Depressionen einen erheblichen Einfluss auf die Smartphone-Abhängigkeit der Kinder haben. Die Studie zeigt auch, dass elterliche Vernachlässigung und das Selbstwertgefühl der Kinder eine Rolle in dieser Beziehung spielen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass elterliche Depression mit Vernachlässigung einhergehen kann, welche wiederum einen Einfluss auf das Selbstwertgefühl der Kinder ausübt, und in der Konsequenz auf ihre Smartphone-Abhängigkeit (Mun & Lee, 2021).
Depressionen eines Elternteils können erhebliche und langanhaltende Auswirkungen auf die psychosoziale Entwicklung von Kindern haben (Nolen-Hoeksema et al., 2013) und die vorgestellten Studien verdeutlichen die Notwendigkeit sich Unterstützung zu suchen, um potentielle Langzeitrisiken zu vermindern.
Wie Beardslee und Kollegen (2013) betonen, ist die gute Nachricht allerdings auch: „Tatsächlich legen Kinder selbst einen größeren Schwerpunkt auf die Bedeutung von Gleichaltrigen als Form der Unterstützung als Eltern oder Fachleute im Bereich der psychischen Gesundheit. Es ist auch wichtig zu betonen, dass obwohl das Risiko erhöht ist, viele Kinder sich gut entwickeln und kein Kind unumkehrbar geschädigt ist“ (S.24).
TIPPS FÜR KINDER
Vielleicht bist du hier auf dieser Seite, weil du ein Elternteil oder ein Familienmitglied hast, welches von Depressionen betroffen ist. Oder vielleicht besuchst du diese Seite, weil ein enger Freund oder eine enge Freundin mit einer solchen Situation zu kämpfen hat.
Es ist verständlich, wenn du dich gestresst, ängstlich, abgelehnt oder überfordert fühlst. Möglicherweise verspürst du auch Wut oder Schuldgefühle, weil du nicht verstehst, warum ein geliebter Mensch sich so verhält. Es ist wichtig zu wissen, dass Depression eine Krankheit ist, und du keinerlei Schuld oder Kontrolle über die Gefühle deines geliebten Menschen trägst. Mit einer so herausfordernden Situation umzugehen ist keine leichte Aufgabe und du musst nicht allein sein. Daher möchte ich dir einige Ratschläge geben:
- Informiere dich über Depressionen, um besser zu verstehen, was dein Elternteil/Familienmitglied durchmacht, und wie sich diese Krankheit auf das Verhalten (z.B. auch dir gegenüber) auswirken kann. Ich empfehle dir das Buch “Freddy und die schwarzen Wolken” (Link zum Buch) vom MoonWalker Verlag. In dieser fesselnden Geschichte erfährst du auf eine leicht verständliche Weise mehr über Depressionen und ihre Behandlung.
- Erkenne, dass du keine Verantwortung für die Depressionen deines Elternteils/Familienmitgliedes trägst – dies ist sicher keine leichte Aufgabe, und eventuell kannst du dir Unterstützung für die Bewältigung suchen
- Vielleicht hast du die Möglichkeit, mit deinem Elternteil offen über deine Sorgen und Gefühle kommunizieren- Manchmal ist dies jedoch nicht möglich, und du könntest in Erwägung ziehen, professionelle Hilfe (Therapeuten) in Anspruch zu nehmen, um deine Gefühle zu verarbeiten.
- Suche Unterstützung bei Vertrauenspersonen, Lehrern oder erweiterter Familie.
TIPPS FÜR ELTERN
ist du selbst mit Depressionen konfrontiert oder kennst du jemanden in deinem Umfeld, der damit zu kämpfen hat und du machst dir Sorgen, wie sich dies auf die eigenen Kinder auswirken könnte? Vielleicht fühlst du dich hilflos, schuldig oder überfordert? Dieser Leitfaden soll dir Mut spenden und aufzeigen, dass es Schritte gibt, die du unternehmen kannst, um die Entwicklung deiner Kinder zu unterstützen:
Die mentale Gesundheit der Eltern beeinflusst nachweislich die ihrer Kinder (Siegenthaler et al., 2012) und Eltern, die an Depressionen leiden, machen sich oft Gedanken über deren Auswirkungen auf ihre Kinder. Dabei spielen die Interaktionen zwischen Eltern und Kindern sowie der Erziehungsstil eine zentrale Rolle bei der Übertragung des Depressionsrisikos. Dieses Risiko kann durch angemessene Behandlung und Unterstützung in der Erziehung reduziert werden (Beardslee et al., 2013). Interessanterweise zeigen Studien auch, dass die Verbesserung des mentalen Gesundheitszustands depressiver Mütter positive Auswirkungen auf ihre Kinder haben kann, selbst wenn die Kinder bereits von psychischen Problemen betroffen sind (Swartz et al., 2008). Diese Studien unterstreichen die Bedeutung, als betroffenes Elternteil selbst Behandlung in Betracht zu ziehen und Hilfe anzunehmen.
Darüber hinaus deuten Ergebnisse aus einer Metaanalyse, die 1490 Kinder einschloss, darauf hin, dass Präventionsprogramme für Kinder von Eltern mit mentalen Gesundheitsproblemen wirksam sein können. Diese Programme konnten das Risiko, selbst eine psychische Krankheit zu entwickeln, um 40% reduzieren (Siegenthaler et al., 2012). Zusätzlich haben sich familienbasierte Interventionsprogramme als wirksam erwiesen, die darauf abzielen, die Widerstandsfähigkeit der Kinder zu stärken, indem sowohl Risikofaktoren als auch Schutzfaktoren angesprochen werden (Archibald et al., 2021). Diese Studien zeigen, dass es wirksam sein könnte nach einem passenden Präventions- oder Interventionsprogramm für betroffene Kinder zu suchen, insofern in der Umgebung vorhanden.
Beardslee und Kollegen (2013) weisen zudem auf die Bedeutung folgender zusätzlicher Maßnahmen hin, welche sich als wertvoll erweisen können:
- Die Identifizierung und Nutzung von Stärken innerhalb der Familie.
- Die Bedeutung der Psychoedukation, also sich über Depressionen zu informieren und zu verstehen, was getan werden kann.
- Die Unterstützung der eigenen Kinder bei der Inanspruchnahme außerschulischer Ressourcen.
- Die Förderung von Freundschaften und Aktivitäten der Kinder.
- Die Möglichkeit, in der lokalen Umgebung auf erweiterte Familie, Freunde, nichtstaatliche Organisationen und Familiendienste zuzugreifen, um Unterstützung zu erhalten
- Angemessene Behandlung und falls nötig: Unterstützung in der Erziehung
- Präventionsprogramme, welche sich gezielt an Kinder von depressiven Eltern ausrichten.
Beardslee (2002) beschreibt des Weiteren in dem Buch Out of the darkened room: when a parent is depressed: protecting the children and strengthening the family, dass er in langjährigen Studien und bei zahlreichen Familien festgestellt habe, dass die Angst und Scham, die Menschen oft dazu veranlassen, in Stille zu leiden, nicht gerechtfertigt seien. Eltern hätten wiederholt demonstriert, dass sie konkrete Schritte und Strategien nutzen können, um die gesunde Entwicklung ihrer Kinder zu unterstützen. Er betont, dass viele Kinder ihre Herausforderungen überwinden und zu bemerkenswert gesunden Erwachsenen heranwachsen.
SCHLUSSFOLGERUNG
Depressionen bei Eltern können schwerwiegende Auswirkungen auf Kinder haben, aber mit Unterstützung, Kommunikation und professioneller Hilfe kann die Familie gestärkt werden. Kinder sollten wissen, dass es in Ordnung ist, Hilfe zu suchen, und dass sie nicht alleine mit dieser Herausforderung sein müssen. Eltern können durch die Anerkennung ihrer Depression und die Inanspruchnahme von Hilfe einen positiven Einfluss auf ihre Kinder haben.
Literaturverzeichnis
Archibald, E., Gladstone, S., & Gladstone, T. (2021). Working with Parents with Depression in Family Intervention. In J. Allen, D. Hawes, & C. Essau (Eds.), Family-Based Intervention for Child and Adolescent Mental Health: A Core Competencies Approach (pp. 207-224). Cambridge: Cambridge University Press. doi:10.1017/9781108682053.017
Beardslee, W. R. (2002). Out of the darkened room: When a parent is depressed: Protecting the children and strengthening the family. Little, Brown.
Beardslee, W. R., Solantaus, T. S., Morgan, B. S., Gladstone, T. R., & Kowalenko, N. M. (2013). Preventive interventions for children of parents with depression: International Perspectives. Medical Journal of Australia, 199(S3). https://doi.org/10.5694/mja11.11289
Burke, L. (2003). The impact of maternal depression on familial relationships. International Review of Psychiatry, 15(3), 243–255. https://doi.org/10.1080/0954026031000136866
Friedrich, M. J. (2017). Depression is the leading cause of disability around the world. JAMA, 317(15), 1517. https://doi.org/10.1001/jama.2017.3826
Luthar, S. S., & Hammen, C. (2003). Risk and Protective Factors for Children of Depressed Parents. In Resilience and vulnerability: Adaptation in the context of childhood adversities. essay, Cambridge University Press.
Mun, I. B., & Lee, S. (2021). The impact of parental depression on children’s smartphone addiction: A serial mediation model with parental neglect and children’s self-esteem. Social Science Computer Review, 41(1), 217–233. https://doi.org/10.1177/08944393211037579
Nolen-Hoeksema, S., Hilt, L. M., Gotlieb, I. H., Eugène, F., & Joormann, J. (2013). Parental Depression: Impact on Offspring and Mechanisms Underlying Transmission of Risk . In Handbook of Depression in Adolescents. essay, Routledge.
Siegenthaler, E., Munder, T., & Egger, M. (2012). Effect of preventive interventions in mentally ill parents on the mental health of The offspring: Systematic review and meta-analysis. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 51(1). https://doi.org/10.1016/j.jaac.2011.10.018
Swartz, H. A., Frank, E., Zuckoff, A., Cyranowski, J. M., Houck, P. R., Cheng, Y., Fleming, M. A. D., Grote, N. K., Brent, D. A., & Shear, M. K. (2008). Brief interpersonal psychotherapy for depressed mothers whose children are receiving psychiatric treatment. American Journal of Psychiatry, 165(9), 1155–1162. https://doi.org/10.1176/appi.ajp.2008.07081339